Ich bin nicht mit Rudolf Urech-Seon aufgewachsen, ich habe «hineingeheiratet». Seit bald 50 Jahren ist er zu Hause mein ständiger Begleiter. Wenn wir umziehen, wird das Bett aufgestellt, der Kasten montiert – und am gleichen Abend noch Urech aufgehängt. Dort bleiben die Bilder dann unverändert bis zum nächsten Umzug, sie werden nie umgehängt.
Es gibt Tage, da lassen wir uns etwas links liegen, Urech und ich. An anderen Tagen aber treten wir in Kontakt. Es war keine Liebe auf den ersten Blick, aber entstanden ist eine langjährige, verlässliche, wertvolle Beziehung. Dazu gehört eben, dass Urech mich manchmal in Ruhe lässt, dann, wenn ich nicht in ein Zwiegespräch eintauchen mag. Er drängt sich nicht auf, wartet ab. Denn er weiss: Unsere Begegnungen kommen immer wieder und finden je nach Werkgruppe auf unterschiedlichen Ebenen statt. Da ist die eine, eher harmlose: die «Das gefällt mir»-Ebene! Frühe Landschaften, die den Hallwilersee und das Seetal so harmonisch abbilden – Natur im Einklang, meist ungestört von den Eingriffen der Menschen.
Dann eine zweite, aufrüttelnde: Die Zeit des Haderns, der Enttäuschung nach dem Durchbruch des Nationalsozialismus in Deutschland. Die Folge sind wilde Tuschlavierungen: die Bäume werden zu anklagenden Geistern, spiegeln die Unruhe und wirken durch den Verzicht von Farben irgendwie bedrückend. Aber ich kenne diese Gefühle nur zu gut und es entsteht zwischen uns ein Austausch auf Augenhöhe.
Und die dritte Ebene, auf die ich dann wirklich nicht mehr verzichten möchte: die konkrete Malerei des älteren und dann alten Mannes. Die ungewöhnlichen und leuchtenden Farben, die Rückkehr zur Landschaft – einfach auf andere Weise. Die Überraschungen, die «so kann man es auch sehen»-Erfahrungen, die positive Ausstrahlung eines Oeuvres, das sich nicht verbiegt, um zu gefallen. Urech muss niemandem etwas beweisen, aber er weiss: Ich bin Maler und kann nicht anders. So abgeklärt und doch hoffnungsvoll hat er bis fast zu seinem Tod gemalt und ich zolle ihm auch dafür meine höchste Bewunderung.